Die Meere halten immer noch viele Überraschungen bereit: Der Große Pazifische Gestreifte Oktopus versetzt mit seinem Verhalten zum Beispiel Forscher in Erstaunen – denn er benimmt sich nicht wie ein typischer Kopffüßer, egal ob es um die Paarung, die Eiablage oder das Jagdverhalten geht.
Ahnungslos spaziert die Garnele über den sandigen Boden. Auf einmal tippt ihr etwas vorne an den Panzer – erschrocken tritt das Krebstier die Flucht nach hinten an und landet dabei genau in den Armen seines Jägers, dem Großen Pazifischen Gestreiften Oktopus. Normalerweise überfallen Oktopusse ihre Beute oder stochern in Höhlen, auf der Suche nach etwas Essbarem. Der Große Pazifische Gestreifte Oktopus zeigt mehr Raffinesse: „Wenn der Oktopus eine Beute entdeckt, macht er sich klein, schleicht sich dann an und erschreckt es mit einem ausgestreckten Arm“, erklärt Roy Caldwell von der University of California.
Geselliger Oktopus
Der Meeresbiologe hat zusammen mit seinem Team 24 der Meerestiere gefangen und beobachtet diese im Labor in großen Aquarien. Die Forscher wollten den Gerüchten auf den Grund gehen, die über die einzigartigen Verhaltensweisen der Tiere kursierten. Diese Gerüchte erschienen aber so skurril, dass sich bisher niemand so recht traute, dazu etwas zu veröffentlichen.
Tatsächlich zeichnet diesen Oktopus nicht nur sein Jagdverhalten aus. Er ist auch ungewöhnlich gesellig. Während die meisten Oktopus-Arten lieber alleine durch die Meere gleiten, ist der Große Pazifische Gestreifte Oktopus in Gruppen mit bis zu 40 Tieren zu finden.
Schnabel an Schnabel beim Schäferstündchen
Ebenfalls aus dem Oktopus-Schema fällt er bei der Paarung. Bei anderen Oktopussen ist das eher eine gefährliche Angelegenheit: Vorsichtig versucht das Männchen hierbei, seinen zum Paarungsarm umfunktionierten Arm in den Mantel des Weibchens einzuführen. Dabei ist das Tier immer auf Abstand bedacht und bereit zur Flucht, für den Fall, dass das Weibchen aggressiv oder gar hungrig wird. Ganz anders beim Gestreiften Oktopus – hier nähert sich das Männchen frontal der Gefährtin, bis beide Schnabel an Schnabel sitzen. „Diese Paarungsposition war bei Oktopussen bisher völlig unbekannt“, so die Wissenschaftler. Das Männchen führt langsam seinen Paarungsarm zum Ziel, während das Weibchen ihn zum Teil mit ihren Armen sogar umschließt. Dabei geht es aber nicht unbedingt liebevoll zu: Einige Männchen trugen hinterher deutliche Spuren der Saugnäpfe. Nach der Paarung ist aber noch nicht Schluss mit der Zweisamkeit. Die Forscher beobachten, dass die Tiere oft mehrere Tage zusammen eine Höhle bewohnten und wahrscheinlich sogar ihr Essen teilten.
Eier legen im Akkord
Lebendig gewordene Fabelwesen
Der Große Pazifische Gestreifte Oktopus trägt ein wunderschönes, sehr kontrastreiches Muster aus Streifen und Punkten. Er lebt unter anderem an der Pazifikküste von Nicaragua und Panama in etwa 40 bis 50 Meter Tiefe. Obwohl er alles andere als unauffällig ist, ist die Tierart erst seit 1977 bekannt. Aber eine offizielle wissenschaftliche Beschreibung – und damit ein lateinischer Artname fehlt bisher noch.
Hinweise auf sein ungewöhnliches Treiben gab es schon 1982. „Diesen Oktopus und sein unglaubliches Verhalten zu beobachten, war fast, als würde ein Fabelwesen zum Leben erwachen“, beschreibt der Meeresbiologe seine Erfahrungen. „Dieses Beispiel zeigt, wie wenig wir über die Welt der Kopffüßer wissen“, meint Caldwell. Bisher seien erst eine Handvoll der über 300 bekannten Arten gut erforscht.